
Ferdinand Raimund hatte in seinem Hobellied gedichtet: «Da streiten sich die Leut’ herum …» Uns gehts bei dem Streit aber nicht «um den Wert des Glücks», sondern um Goethes letzte Worte. Wir klären auf, was er wirklich gesagt hat.
Der Dichter Friedrich Rückert sagte pathetisch, das letzte Wort, das Goethe «aus der Brust erhobner Weite» quoll, sei «Mehr Licht!» gewesen. Der königliche Leibarzt Christoph Wilhelm Hufeland hingegen behauptete: «Er endete mit den Worten: ‹Mehr Licht – ihm ist es nun geworden.›» Andere weise Männer debattierten um die Frage: Handelte es sich um das Licht der Aufklärung, das der Sterbende den Hinterbleibenden ans Herz legte, oder um des Volkes Erleuchtung im weitesten Sinne, die es zu verbreiten galt?
Lerchen und Eulen
Wieder andere meinten, das komplette Zitat habe ganz anders gelautet, nämlich: «Macht doch den zweiten Fensterladen auch auf, damit mehr Licht hereinkomme.» Die deutsche Rockband «Eisbrecher» adaptierte den feststehenden Begriff und schmetterte im Refrain eines Songs: «Ich brauche mehr Licht, mehr Licht, mehr Licht. Viel mehr brauch ich nicht …» Wissenschaftler teilen Lichtbrauchende ein in Lerchen, die sich schon morgens am Licht erfreuen, und Eulen, denen erst spät abends ein Licht aufgeht. Ob Goethe Lerche oder Eule war, ist bislang noch nicht grundlegend erforscht worden.
Der Germanist Karl S. Guthke fasste die ganze Sache humoristisch auf. Er schlussfolgerte, Goethe habe ja immer im leicht hessischen Dialekt gesprochen, und von Licht sei gar keine Rede gewesen. Es läge vielmehr auf der Hand, dass er zu seinem Diener gesagt hätte: «Mer liescht hier so unbequem.» Übertroffen wurde das jedoch von Egon Friedell und Alfred Polgar in ihrem Sketch «Goethe im Examen». Der von einem verängstigten und überforderten Schüler herbeizitierte Geist des Dichterfürsten steigt bei der Prüfung in die Rolle des Schülers. Er wird unter anderem vom examinierenden Professor gefragt, was Goethes letzte Worte (ergo seine eigenen) gewesen seien, worauf er antwortet: «No, Milch hat er gewollt.» Der Professor sagt erschüttert: «W-a-as?» – «No ja», meint Goethe, «Milch in seinen Kaffee, weil er ihm zu dunkel war. Und da hat er gesacht: Mehr licht!»
Nicht taufrisch
Im Sinne heiterer Interpretation kann man abschliessend auf folgende Anekdote verweisen. Der Diener, der Goethe in seinem letzten Stündlein betreute, war selbst nicht mehr der Taufrischeste. Also auch schon ganz schön betagt, und demzufolge nicht mehr hell-, sondern wohl eher etwas schwerhörig. So kam es, dass er allen, die nicht anwesend waren, vor allem dem Leibarzt Carl Vogel, berichtete, Johann Wolfgangs letzte Worte seien «Mehr Licht» gewesen. In Wirklichkeit hatte er sich verhört. Auf sein gut gemeintes Zureden hin wies Goethe ihn zurecht und bremste des Dieners Wortschwall mit dem Stossseufzer: «Mehr nicht!»