Irre sind menschlich

Roland Schäfli | veröffentlicht am 07.12.2018

Wir sagen voraus, dass Prognostiker keine Zukunft haben. Denn in den allermeisten Fällen irrten die Fachleute, was die Entwicklung weltgeschichtlicher Ereignisse betraf. Doch wen wunderts angesichts dessen, dass der Schöpfer persönlich schon voll danebenlag.

Irre sind menschlich
Jonas Brühwiler | (Nebelspalter)

3500 v. Chr.: «Wer braucht denn so was, Junge? – Schuster, bleib bei deinen Leisten! – Das wird sich nie verkaufen, Alter, dafür gibt’s nämlich gar keinen Markt!» Überlieferte erste Bemerkungen des Ältestenrats einer Höhlen-WG zum Höhlenmenschen, der soeben das Rad erfunden hat.

2000 v. Chr.: «Leider gilt das ambitionierte Bauprojekt als gescheitert. Es war nicht so sehr der befürchtete Schattenwurf, sondern die fatale Fehleinschätzung, das Gebäude bis in den Himmel reichen zu lassen. Die Investoren versuchen, den Architekten wegen unsachgemässer Besorgung zu belangen.» Fachartikel in «Verdichtetes Bauen» zu dem Turmbau zu Babel und dem Einsturz desselben.

Im Jahre 0: «Die heurige Ernte fällt miserabel aus. Die Früchte lassen geschmacklich viel vermissen. Ausserdem weisen sie die sortentypische Form nicht auf.» Voraussage der Landwirtschaftskooperative «Garten Eden» trifft bezüglich des Verzehrs einzelner Äpfel nicht ein.

250: «Wir sind voller Freude, dass wir nun die ganze Welt mit Feuerwerksraketen beliefern können. Umso mehr, als dies der Friedenssicherung dient, da unser Patent ganz bestimmt nie zu Kriegszwecken eingesetzt wird.» Pressemitteilung der ersten chinesischen Schwarzpulver-Fabrik.

1492: «Die Einheimischen werden bestimmt nichts dagegen haben, dass wir auf ihrem Land siedeln. Als Naturvölkchen sind sie überaus friedlich.» Christoph Kolumbus berichtet seinen spanischen Auftraggebern schriftlich von den Indianern.

1806: «Was soll das sein, etwa Black Friday? Dieser schwarze Kleister ist zu nix nütze. Stinkt und verpestet die Umwelt. Besser, ihn gar nicht erst auszugraben.» Die Akademie der Wissenschaften St.?Petersburg zum Fund von Erdöl.

1814: «Haben wir dich, du kleiner Scheisser! Auf dieser Insel, die du nie mehr verlassen wirst, kannst du uns nicht mehr gefährlich werden!» Damit verbannen Wellington und seine Alliierten Napoleon nach Elba, von wo er nach 100 Tagen flieht, um einen neuen Krieg anzuzetteln.

1876: «Jaja, alle paar Jahre kommt ein Erfinder und glaubt, uns unseren Telegrafen madig machen zu können. Auch dieses neue Ding taugt nicht zum Kommunikationsmittel. Kann man nur aufhängen!» Der VR-Präsident von Western Union lässt sich von der Erfindung des Telefons nicht aus der Ruhe bringen.

1879: «Wir warnen alle Menschen, dass sie von Leitern fallen werden, wenn sie dieses Ding an der Decke anschrauben wollen. Oder einen Stromschlag kriegen. Oder beides.» Offizielle Stellungnahme der SUVA zu Edisons Erfindung der Glühbirne.
 
1900: «Reinste Jahrmarkt-Scharlatanerie! Wir wüssten nicht, welchen Nutzen unsere Kunden davon hätten!» Der Ärzteverband zur Erfindung eines Herrn Röntgen.

1901: «Nein. Weil es zu wenige Chauffeure gibt, darum.» Gottlieb Daimler auf die Frage, ob die Nachfrage nach Automobilen zunehmen werde.

1907: «Der Mann wird es nie zu etwas bringen. Null Talent, ein Publikum zu begeistern. Er wird in weniger als einem halben Jahr vergessen sein.» Die Wiener Kunstakademie beurteilt die eingereichten Werke eines Malers namens Adolf Hitler.

1911: «Dieses Schiff ist unsinkbar. Da müsste schon ein verdammt grosser Eisberg kommen, haha!» Aus der Rede des CEOs der Reederei der «White Star Line» beim Stapellauf der Titanic.

1938: «Heureka! Es ist geglückt! Dies wird der Welt nicht nur unerschöpfliche Energiequellen, sondern immerwährenden Frieden und Stabilität bringen!» Otto Hahn und Fritz Strassmann, wenige Augenblicke, nachdem sie das erste Atom gespalten haben.

1960: «Sorry, Boys. Mit euch machen wir keine Platte. Gitarrenmusik ist nicht mehr angesagt. Und erst diese Frisuren! Die Frauen würden sich über euch ja kaputtlachen.» Die Plattenfirma Decca Records lehnt die Bewerbung der «Beatles» ab.

1961: «Ich weihe dieses stolze Bauwerk dem Volke, es wird ewig stehen und Zeugnis ablegen von unserer Weltoffenheit.» Erich Honecker bei der feierlichen Einweihung der Berliner Mauer.

1962: «Einer, der mit jeder Frau in die Kiste springt, in den bekanntesten Nobelhotels absteigt und ständig Alkohol trinkt, soll Geheimagent sein? Absolut unglaubwürdig. Daraus wird nie eine Serie.» Unbekannter Filmkritiker über «Dr. No», den ersten 007-Film.

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