Die Heizer kommen

Jan Peters | veröffentlicht am 01.03.2019

Wer verstehen will, warum der Deutsche zu seinem heilix Blechle – wie der Württemberger sein vierrädriges Statussymbol gern nennt – eine besondere Beziehung hat, die auch erotische Komponenten enthält, muss schon deutlich tiefer schürfen, als nur zu meinen, sie hätten sowieso ein Rad ab, diese Schwaben.

Die Heizer kommen
Marina Lutz | (Nebelspalter)

Es greift eindeutig zu kurz, wenn man glaubt, es gäbe unseren nördlichen Nachbarn einen Kick, wenn sie volle Klamotte mit ihren BMW M5 über die Autobahn kacheln können, als sei dies der Salzsee von Utah. Es geht bei diesem Thema überhaupt nicht darum, dass sich «Riky Masorati mit dem Bleifuss und seinem Brüllmotor» – wie Porschefahrer Udo Lindenberg ins Mikro nuschelte – die linke Spur freischiesst und die sich in ihren Energiespargurken mit jämmerlichen 130 Sachen durch die Gegend schleppenden Körnerfresser in die Leit­planke einbremst. NEI-EN!! Es geht um mehr; um sehr viel mehr; es geht um die Freiheit. Und ums Prinzip. In Deutschland geht es nämlich ständig ums Prinzip: «Haben Sie verstanden, HERR Müller?», wie Louis de Funès in einem Film drohend fragte.

 

 Wer hats erfunden?

Dem Deutschen wird ja oft vorge­worfen, er habe emotionale Defizite. Was an seinem Sprachgebrauch exemplarisch nachgewiesen werden kann: Begibt sich etwa der Franzose gerade­zu auf elysische Felder, wenn er von «faire l’amour» schwärmt, so hört sich das deutsche «Geschlechtsverkehr haben» an, als müsste man vor Vollzug einen Antrag auf Hartz-4-Gewährung stellen. Geht der Deutsche aber andererseits ganz aus sich heraus, wenn er auf die Autobahn einbiegt und das Gaspedal jauchzend bis aufs Bodenbrett durchtritt, ists auch wieder nicht recht. Der deutsche Automobilist rast nicht, weil es ihm Spass macht, sondern weil er weiss, dass er in einer Tradition steht. 1804 entwickelte der Schweizer Isaac de Rivaz den ersten Wagen mit Verbrennungsmotor, der gemäss Wikipedia die beachtliche Strecke von 26 Metern am Stück zurückgelegt haben soll. Daraus erklärt sich auch zwanglos, dass es der genügsame Eidge­nosse erträgt, mit 120 Stundenkilometern max. über seine nationalen «Schnell»-Strassen kriechen zu dürfen. Ganz anders dagegen der Deutsche: Als Geburtsstunde des Autos gilt das Jahr 1886, in dem der Erfinder Carl Benz seinen Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 zum Patent anmeldete (Reichspatent 37435). Zunächst belächelt, trat der Kraft­wagen dann seinen Siegeszug um die Welt an, und: DAS AUTOMOBIL WAR VON ANFANG AN DEUTSCH!

 

Klägliche Trittbrettfahrer

Natürlich versuchte man dann auch in anderen Ländern, es dem Tüftler Carl Benz nachzutun und so etwas Ähnliches wie pferdelose Droschken hinzukriegen – mehr schlecht als recht, muss man da ehrlicherweise sagen. In Frankreich schusterten Re­nault, Peugeot und Co. lächerliche Schiessbudengefährte zusammen – einzig Citroëns 11 CV als Star diverser Gangsterfilme ist der Öffentlichkeit im Gedächtnis geblieben –, in England versuchten Austin, Bentley sowie eine Firma namens Rolls-Royce ihr Glück. Letztgenannte Bude ist heute nahezu unbekannt; lediglich eine überkandidelte Schnepfe namens Elisabeth Windsor soll noch ein Faible für deren unbeschreiblich durstige Angebervehikel haben; auch den einen oder anderen Flugzeugmotor hätte die in Manchester ansässige Firma gebastelt, kann man in Fachkreisen hin und wieder hören. Der 1878 in La-Chaux-de-Fonds geborene Louis Chevrolet wanderte 1901 in die USA aus und versuchte sich dort mit wechselnden Erfolgen im Konstruieren von Wild-West-Autos. In denkbar schlechtester Erinnerung ist dabei die Corvette geblieben, die sich nur unter Berufsverbrechern einen soliden Ruf als Zuhälterschlitten erarbeiten konnte.

 

Put the hammer down!

Wir wollen jetzt aber nicht darlegen, welche Korrelationen zwischen der Halbwelt und gewissen Automarken bestehen, sondern durch unseren soeben erfolgten Exkurs in Grenzbereiche der Technik nur andeuten, dass Autos mit Emotionen zu tun haben könnten. Dafür ist die Geschichte des Motorsports ein unumstösslicher Beweis. Wir sagen nur Silberpfeile! Da beginnen die Augen des deutschen Automobilisten zu leuchten: Manfred von Brauchitsch, Rudolf Caracciola, Bernd Rosemeyer – das waren die Monumente des automobilen Zeitalters; Männer, die in zahllosen Rennschlachten auf der Berliner Avus, dem badischen Hockenheimring oder in der Grünen Hölle der Nordschleife des Nürburgrings ihre Gegner in Grund und Boden fuhren! Und 2019 wird Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton seinen Siegeszug im AMG Mercedes W 10 fortsetzen – einem Spitzenerzeugnis deutscher Ingenieurskunst, einem Hightechprodukt, das dafür gebaut wurde, die Grenzen des Möglichen noch weiter nach draussen zu verschieben. Und die erweiterte Teststrecke ist und bleibt die deutsche Autobahn! Der Führer hat diese Rollbahnen nicht dafür gebaut, dass sich mit 130 km/h durch die Gegend schleppende Losertypen den mit Mach 1 links ein­fliegenden Kampfpiloten in den Weg stellen, sondern dafür, dass diese Männer von Stahl ihr Mantra in den Asphalt brennen können – «Die Heizer kommen!»

 

 

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