Schmerzfrei in die Zukunft

Marco Ratschiller | veröffentlicht am 05.04.2019

Lassen Sie uns heute über einen Fakt nach­denken, solange die meisten noch in der Lage sind, es zu verstehen. Die Bevölkerung in unseren west­lichen Ländern wird seit Jahrzehnten wieder dümmer. Oder wissenschaftlicher: Tests mit mehr als 720?000 Probanden haben ergeben, dass sich unser IQ im Sinkflug befindet.

Schmerzfrei in die Zukunft
Silvan Wegmann | (Nebelspalter)

Kulturpessimisten haben es natürlich schon immer kommen sehen, aber das Ganze hat auch seine praktischen Seiten: Roboter und Computer brauchen gar nicht mehr viel intelligenter zu werden, sie können auch einfach abwarten, bis sie uns überrundet haben. In wenigen Jahren kann «Chessmaster» auf dem Commodore 64 wieder den Schachweltmeister schlagen.

Dass eine verdummende Menschheit dereinst gar nicht mehr kognitiv bewältigen muss, wie sie den Planeten an die Wand gefahren hat, ist vielleicht nur ein weiterer
genialer Einfall der Evolution. Selig sind die Einfältigen, das wusste schon die Bibel. Sind jene Kreise, welche den drohenden Kollaps entgegen allen Fakten beharrlich negieren, einfach bereits unserer Zeit voraus?

Die Strategie der prophylaktischen Selbstverblödung ist möglicherweise vergleichbar mit der Substanz Opiorphin, die in unserem Speichel zu finden ist und bis zu sechsfach schmerzstillender wirkt als Morphin. «Sich die Wunden lecken» ist nicht nur eine alte Redensart, sondern ein körpereigenes Analgetikum. Die total schmerzfreien Reaktionen diverser SVP- und FDP-Exponenten auf den grünen Wahltrend deuten jedenfalls auf einen enormen Speichelfluss hin.

Eine dümmere Menschheit bringt aber noch ganz andere Vorteile: Wo die Sonne des Verstandes niedrig steht, werfen bekanntlich auch Zwerge lange Schatten. Das lässt für viele von uns hoffen. Wie oft haben Sie sich schon mit leichtem Bedauern sagen hören, dass in unserer Zeit Universal-Genies wie Leonardo da Vinci überhaupt nicht mehr denkbar sind?

Und selbst Leonardo war auf einen historisch tiefen Sonnenstand angewiesen, um posthum zur heutigen Lichtgestalt aufzusteigen: Benito Mussolini war es, der den grossartigen Renaissance-Maler aus nationalistischen Gründen zum übergrossen Ingenieur und Erfinder überhöhte – obwohl seine Ideen über Jahrhunderte nur spannende Papierzeichnungen geblieben sind.

Während ich Ihnen nun viel Spass mit dem neuen ‹Nebi› zu Genie und Wahnsinn von da Vinci bis Trump wünsche, werde ich auf dem Estrich nachschauen gehen, ob ich meinen alten C64 noch zum Laufen bringe.

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