Ab ins Körbchen

Ralph Weibel | veröffentlicht am 03.05.2019

Selbst für einen Katzenmenschen ist nicht der Hund das Schlimmste, dem es eigen ist, sich unaufgefordert allem und jedem zu nähern, zwanglos im Schritt zu schnuppern, endlos zu bellen, zu sabbern, gleich zuzubeissen oder alles gleichzeitig. Das Schlimmste am Hund ist der Mensch an seiner Seite oder im besseren Fall an seiner Leine, und mit ihm die Vermenschlichung des Hundes.

Ab ins Körbchen
Petra Kaster | (Nebelspalter)

«Schau, jetzt scheint dem Chico die Sonne ins Gesicht», sagt eine ältere Dame im Intercity voller Mitgefühl zu ihrer Reisegefährtin. «So, dann musst du nicht in die Sonne schauen», jetzt zum Hund, mit leicht infantiler Stimme. Sie dreht das gepolsterte Tragtaschenhundekörbchen etwas. «Gell, jetzt ist es besser?», fragt die Frau das behaarte Etwas. Offensichtlich kennt sie es gut, für Aussenstehende ist nur schwer zu erkennen, was da vorne und was hinten ist. Antwort erhält sie keine.

Gefüllter Fressnapf
Statt mit ihrer Begleiterin spricht sie weiter auf den offenbar schlafenden Hund, sofern man bei dem tragbaren Ding von einem Hund sprechen darf, ein. «Ja, bist du müde, machst ein Schläfchen, bist ein Braver!» Übersetzen Sie das mal in Ihren Dialekt, sprechen Sie es laut im Gedenken an Trudi Gerster und nicken dabei leicht mit dem Kopf wie diese blöden Hunde auf der Hutablage. Wenn Sie das filmen und sich selber zusehen, werden Sie a) wissen, was gemeint ist und b) werden Sie über sich selber erschrecken.  Das ist wirklich bescheuert. Zumal das Ihr Hund nicht mitmacht, weil er Sie besonders mag, sondern weil er sich für einen gefüllten Fressnapf auch zum Affen macht, wenn es sein muss.

Womit wir zur nächsten Stufe der Verdummung, pardon, Vermenschlichung kommen. Für Hunde gibt es ein schier unendliches Angebot an Konsumgütern. Ein Anbieter wirbt damit, nicht weniger als 13?000 Artikel für den Hund im Sortiment zu führen. Angefangen beim Vier-Punkte-Programm gegen Flöhe, über Schnüffelteppiche, Schondecken, Gongs, getrocknete Schweineohren, Einstieghilfen fürs Auto – aufhören, so genau will man es gar nicht wissen! Kurzum, es ist ein Wahnsinn.

Politisches Programm
Genauso wahnsinnig ist die geradezu sektiererische Art, mit welcher Hundebesitzer ihr Rudel verteidigen. Sie können das gerne und einfach selber testen. Sagen Sie in einer gemütlichen Runde oder auf Social Media einen Satz in der Art: «Eigentlich sollte man ausser Hüte- und Blindenhunde alle Hunde verbieten, weil sie nur stören und unnötig CO2 produzieren.» Jetzt schnell in Deckung! Der Shitstorm wird wie ein Orkan über Sie hereinbrechen. Wenn Sie das Gleiche versuchen mit Sätzen wie «Schwul sein ist eine Krankheit», «Alle Moslems sind Terroristen» oder «Ausländer raus», dann verstehen das viele als politisches Programm.
 
Vor dem Hintergrund, dass der Hund des Menschen bester Freund sein soll, spricht dies alles nicht unbedingt für die Menschheit. Dieser Meinung sind übrigens auch Katzen, wenn man sie fragt.

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