Ladehemmung

Ralph Weibel | veröffentlicht am 03.05.2019

«Feuer frei!», hallt der Schiessbefehl durchs Land. Die Strohfeuer werden entfacht und werfen mit ihrem hellen Schein Licht auf die Befindlichkeit der Schweizer Seele. Diese zeigt eine tiefe Zerrissenheit zwischen schiesswütigen Eidgenossen und Pazifisten, die unser Land dereinst mit dem Werfen von Wattebäuschen verteidigen wollen.

Ladehemmung
Schlorian (Stefan Haller) | (Nebelspalter)

Gäbe es keine Schusswaffen auf der Welt, würde die Wahrscheinlichkeit, durch eine solche zu sterben, gegen null tendieren. Konsequenterweise müsste man daher nicht über eine Registrierung von Waffen diskutieren, sondern über deren Abschaffung. Der Feind fällt auch tot um, wenn ihn die Kugel aus einem registrierten Gewehr zwischen die Augen trifft. Wie die Erfahrung zeigt, lässt sich für die Entwaffnung eine Mehrheit finden. Zumindest in der Schweiz. Wir erinnern uns an die Hornkuhinitiative. Diese war eigentlich nichts anderes als eine Art Waffengesetz. Mit umgekehrten Voraussetzungen. Während die Linken die Kühe aufrüsten wollten und die Rechten diese entwaffnen, sehen diese mit einem neuen Waffengesetz unsere Wehrhaftigkeit bedroht. Was natürlich nicht stimmt, aber es liegt in der Natur der Sache, und der aktuellen Gesprächskultur, die sich auf das Niveau von kurzen Tweets reduziert hat, die Welt in Schwarz und Weiss aufzuteilen.

Cervelat einschneiden
Es liegt nahe, hinter der ganzen Diskussion eine finstere Verschwörung von dunklen Mächten in der EU zu vermuten. Diese haben nur ein Ziel. Die Eidgenossenschaft endlich in die Knie zu zwingen. Was dank unserer Wehrhaftigkeit bislang misslang. Haben wir es nicht immer gewusst, dass die Unabhängigkeit der Eidgenossenschaft historisch gesehen nur mit dem Besitz von Waffen zu tun hatte? Als sich das Dritte Reich ausbreitete, blieb die Schweiz nur verschont, weil jeder stramme Bürger einen Karabiner unter dem Bett hatte. Noch heute sind die EU-Treiber beeindruckt, wenn wir ihnen erzählen, ein jeder hätte ein Gewehr zu Hause. Und wenn wir dann mit unserem Sackmesser noch einen Cervelat einschneiden, wird jedem fremden Fötzel klar, zu was dieses aufmüpfige Bergvolk fähig ist.

Chuchichäschtli verbieten
Deshalb treibt der böse Feind, oder Böfei, wie er militärisch korrekt heisst, die Erosion der Schweizer Unabhängigkeit voran. Wir erinnern uns an das Bankgeheimnis: Treffer und versenkt. Gripen-Kampfjet: abgeschossen. Wir biegen uns der Krümmungsvorgabe von EU-Gurken und huldigen einem gewissen Schengen, obwohl kaum jemand weiss, wo das Kaff überhaupt liegt. Da spielt es doch keine Rolle, wenn uns das Schengen abhandenkommen sollte. Wenn der Lohn dafür ist, dass ein paar Schützen sich den Papierkram sparen können.

Man will sich nicht vorstellen, was die EU demnächst noch von uns fordert, um unser Land zu destabilisieren. Vielleicht verlangt Brüssel, das Kauderwelsch an Sprachen zu vereinheitlichen. Sie werden uns das «Chuchi­chäschtli» verbieten, damit wir uns nicht mehr in einer unverständlichen Sprache unterhalten können. Gefährdet sind sämtliche Schweizer Tugenden. Verkehrsminister in Europa fordern schon lange, die Pünktlichkeit des öffentlichen Verkehrs zu bekämpfen, damit wir mit dem internationalen Verkehr harmonieren. Güsel-Lastwagen sollten den Abfall nicht mehr einsammeln, sondern etwas ge­gen diesen peniblen Sauberkeits- und Ordnungssinn unternehmen. Der Abfall soll künftig entlang den Strassen verteilt werden. «Mehr Dreck», forderte schon Chris von Rohr.

Längst ausgedient hat auch die Demokratie mit ihrem unsäglichen Schweizer Föderalismus, in welchem jeder Kanton, was heisst Kanton, jede Gemeinde, eigene Gesetze und Verordnungen erlässt. Damit wir EU-kompatibel sind, braucht es Zentralismus. Dann wäre endlich Schluss mit dieser unübersichtlichen Konsens­suche und einem Bundesrat, der sich aus sieben Mitgliedern zusammensetzt. In anderen Ländern regiert auch nur ein König oder eine Königin. Macron in Frankreich, Merkel in Deutschland, um nur zwei Beispiele zu nennen. Genau die sind die Treiber der Unterjochung von uns Schweizern. Aber das lassen wir uns nicht bieten. Wir brauchen dringend wieder mehr geistigen Widerstand, und den werden wir der Europäischen Union am 19. Mai mit einem kräftigen Nein zur Verschärfung des Waffenrechtes um die Ohren hauen. Was hat uns die bisherige
Politik in Europa denn gebracht?  Nichts als Chaos.

Die Welt wird nicht besser
Da hinein wollen uns die Linken auch stürzen, wenn wir den Verschwörungstheoretikern glauben. Statt in Panik zu verfallen, sollten wir uns vielleicht besser ein paar Gedanken darüber machen, ob die uns allen heilige Freiheit und Unabhängigkeit wirklich gefährdet sind, wenn der Besitz von martialischen Instrumenten registriert wird. Den Waffenbrüdern im Geiste soll gesagt sein: «Ihr dürft weiter schiessen, auch wenn es an der Urne ein Ja gibt.» Und den Pazifisten: «Leider wird die Welt nicht besser, nur weil Waffen registriert sind.» Sicher würde es sich lohnen, auch über die zweite Vorlage zur Steuerreform und zur Finanzierung der AHV nachzudenken. Darüber spricht fast niemand. Die Auswirkungen auf unser Leben werden aber um einiges grös­ser sein als die der Anpassung des Waffenrechtes.

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