
Liebe Tabea, du hast mich gebeten, dir einen Text zum Geburtstag zu schreiben, und ich werde dir diesen Wunsch natürlich mit Freude erfüllen. Es sei an dieser Stelle festzuhalten, dass der als «Wunsch» formulierte Wunsch eher als Aufforderung zu verstehen ist und ich diese Aufforderung als eine Aufgabe betrachte, über mich selbst hinauszuwachsen. Du hast Glück, Tabea, einen erfolgreichen Autor als Freund zu haben, der sich dieser Aufgabe gewachsen sieht. Nun würde mich aber doch Folgendes interessieren: Angenommen, du hättest einen Freund, der Klempner ist, würdest du ihn auch bitten, dir zum Geburtstag deine Toilette zu reparieren? Oder hast du vielleicht eine wischwütige Putzkraft in deinem Freundeskreis, welche dir liebend gerne zu deinem Jahrestag einmal unentgeltlich die Wohnung schrubbt? Denn wer nimmt schon Geld von Freunden an? Natürlich kann man sagen, es ist ein Privileg, seine für den Beruf notwendigen Fertigkeiten auch im Privatleben einsetzen zu können. Aber glaubst du, eine Prostituierte hat nach Feierabend Lust auf Sex?
Dass es von Vorteil ist, Elektriker zu sein, um zu Hause mögliche Kosten zu sparen, ist natürlich einleuchtend. Das ist witzig, weil: «Elektriker … und … einleuchtend», verstehst du, Tabea? Dennoch bezweifle ich, dass ein Elektriker nach Hause kommt und sich denkt: «Mensch, so eine richtig geile Glühbirne im Bad anbringen. Da hab ich jetzt Bock drauf.» Unwahrscheinlich, liebe Tabea. Warum sollte man etwas umsonst tun, wenn man eigentlich dafür bezahlt werden kann? Der Joker aus Batman hat einmal gesagt: «Wenn du etwas gut kannst, mache es nie umsonst.» Und da gehe ich voll mit. Gut, ich bin auch ein guter Liebhaber und lasse mich nicht für Sex bezahlen, aber ich bereue es jeden Tag! Der Punkt ist das Kriterium der Freundschaft. Freundschaft ist nicht nur ein Privileg, sondern eine Bürde. Eine Aufgabe, der man durch Zwischenmenschlichkeit und Bauchpinselei gerecht werden muss. Aber Freundschaft zahlt mir nicht die Miete, macht nicht satt. Freundschaft ist streng genommen ein notwendiges Übel, zwischenmenschlichen Kontakt zu pflegen, und es gibt sehr wenig Menschen, die ich mag und für die ich etwas tun würde, worauf ich zum einen keine Lust habe und zum anderen darin keinen Mehrwert für mich erkenne.
Aus ökonomischer Sicht ist Freundschaft ein unangebrachtes Mittel für Preisdumping. Freundschaft ist der erste Schritt zur Vernichtung der Marktwirtschaft. Denken wir doch mal weiter, liebe Tabea. Wenn du mich bittest, dir einen Text zu schreiben, dann kommt in zwei Tagen die nächste Person und möchte auch einen solchen von mir haben. Und dann die nächste, weil alle Menschen auf einmal meine Freunde sind. Freundschaft muss doch etwas sein, das auf Gegenseitigkeit beruht und gepflegt werden muss. Und das Pflegen einer Freundschaft bedarf Arbeit. Wo wir wieder beim Thema sind, Tabea. Wenn Freundschaft die Basis ist, die durch Arbeit gepflegt werden muss, ist der Lohn nur noch mehr Freundschaft. Das ist doch Scheisse, Tabea. Ein Teufelskreis. Das ist, als würde ich zur Bank gehen, um mir Geld zu kaufen. Da habe ich am Ende genau die gleiche Scheisse, aber was es mich eigentlich gekostet hat, ist Zeit! Es ist also nicht nur so, dass ich nichts verdiene, ich zahle auch noch drauf. Denn Zeit ist bekanntlich Geld und mir ist mehr Zeit mehr wert als weniger Zeit.
Komm mir nicht mit dem Argument «Aber dir macht das doch Spass.» Halt dein Maul, Tabea! Natürlich macht es mir Spass. Aber sieh es mal so: Salvador Dalí hatte einen Pool, den er mit Seeigeln ausgelegt hat, damit niemand darin laufen kann. Ein Pool ist schliesslich zum Schwimmen da – that’s the spirit! Dalí hätte sich sicher keinen Pool kaufen können, wenn er die ganze Zeit Bilder für Freunde oder nur zum Spass gemalt hätte. Ich will auch nicht wissen, was 1000 Seeigel kosten. Und du, liebe Tabea, bist der Grund, warum ich keinen Pool habe.
In was für einer Welt würden wir leben, wenn man für etwas bezahlt werden würde, nur weil es einem Spass macht? Ich würde den ganzen Tag schlafen, vögeln, essen und dabei reich werden. Dass mir meine Arbeit Spass macht, ist ein Luxus. Aber nur weil ich Kunst mache, ist das doch nicht weniger wert als eine andere Dienstleistung. Kunst ist ein Gut, mit dem man handeln kann wie mit anderen Dingen. Tausche Picasso gegen zwei Kamele und vier Äpfel und du wirst sehen: Das war nicht der klügste Deal deines Lebens. Wenn ich es aber schaffe, mir einen halben Liter Farbe auf den Penis zu leeren, damit vor einer Leinwand herumzuhelikoptern, das entstandene Werk für ein halbes Pfund Hack und hundert Gramm «Gut-&-Günstig-Frischkäse» einzutauschen, bin ich echt ein krasser Typ. Der Wert von Kunst ist also relativ, Tabea. Den Wert bestimmst aber nicht du, Tabea. Dass ich für das Peniskopterbild auch zwei Kamele und vier Äpfel bekomme, ist unwahrscheinlich, keine Frage. Oftmals steigt der Wert eines Werkes erst mit dem Tod des Künstlers.
Willst du, dass ich sterbe, Tabea? Ist es das, was du willst? Meine Werke umsonst bekommen, mich sterben lassen und die Texte teuer verkaufen? Das Ende scheint unausweichlich zu sein, oder tust du es allein für die Kunst, Tabea? Du Empathiegenie! Man sagt: «Der Erfolg gibt einem Recht.» Vor allem gibt mir der Erfolg das Recht, mich für das, was ich tue, bezahlen zu lassen. Und wenn die Bezahlung Kamele und Äpfel sind, fuck it, das wäre okay. Ich meine, wie geil ist so ein Scheiss-Kamel? Und wenn die Bezahlung darin besteht, dich als Freundin zu haben, dann ist das fürs Erste auch okay.