
Fertig mit dem Filletstück. In der modernen Küche wird alles verwertet. "Nose to tail" heisst der Trend und verhilft der Kuttel zu einem besseren Image.
Hugo hatte sich als Kind ein Spiel daraus gemacht, Äpfel und Birnen unaufgefordert samt Bütschgi, Fliege und Stiel aufzuessen. Kirschsteine herunterzuschlucken, hat er irgendwann aufgegeben, obwohl er die Maschinengewehrgeräusche beim Stuhlgang lustig fand. Eibenbeeren hat er gelutscht, zum Schrecken seiner Schulkameraden, jedoch die Steine ausgespuckt, weil die giftig sind, wie alles an der Eibe, ausser dem Fruchtfleisch der Beeren.
Apropos Fleisch: Wenn Kaninchen auf den Tisch kam, nahm sich Hugos Grossmutter mütterlicherseits jeweils den Kopf des Tieres vor. Sie nagte und lutschte so lange daran, die Bäggli hat-ten es ihr besonders angetan, dass man den Schädel hätte in ein Tiermuseum stellen können.
Hugos Vater schwärmte immer von einem «Sauschwänzli», was eine besondere Spezialität sei. Und Kalbshaxen, wovon natürlich der Knochen übrig bleibt. Früher wurde der zu Leim verarbeitet – dann stank es in Schlieren – oder dem Waldi zum Nagen hingeworfen.
Eine kleine Geschichte fast reinkarnatorischen Inhalts hat sich ereignet, als Waldi im Wald von einem Jäger erschossen wurde. Der Dackel habe gejagt, hiess es. Die Trauer war gross, aber Hugos Familie beschloss, das Beste daraus zu machen, und hat Waldi deshalb zu seinem eigenen Leichenmahl gebraten und gegessen. Die Trauergemeinde sass stumm am Tisch und nagte an den Knochen des besten Freundes der Menschen. Die Rührung und die Trauer über den Verlust dieses Tieres erreichte ihren Höhepunkt, als der fünfjährige Silas den abgenagten Knochen mit den Worten unter den Tisch warf: «Do hett jetzt de Waldi Freud dra gha!»
Dass man, wenn man unbedingt Tiere essen muss, dann auch wirklich das ganze Tier essen soll, ist die aktuelle Forderung. Heutzutage landet zumindest schon einiges von dem, was nicht am Stück gegessen werden kann, in den Würsten; in denen lässt sich vieles verwursten. Hugo fragt sich allerdings, weshalb dem Brät so viel Wasser beigefügt wird. Wird so das Brät nicht ungebührlich gestreckt? Wie auch immer. Es gibt auch noch Servelats, Knackerli, Wienerli, da muss das Brät etwas gefärbt werden, wahrscheinlich mit Blut; sicher ist sich Hugo nicht. Blutwürste gibt es ja saisonal auch noch. Weshalb nur saisonal? Blut fällt doch immer an!
Viele Leute essen überhaupt keine Innereien, nur Muskelfleisch. Keine Leber, keine Nieren, von Kalbshirn gar nicht zu reden. Es ekelt sie. Jedoch in das mit nackten Händen, mit denen zuvor das Münz und das Zwänzgernötli in Empfang genommen wurde – an weitere mögliche Handreichungen wagt Hugo nicht einmal denken – zubereitete Dönerbrötli mit verpfläderter Tomate und einer undefinierbaren Sauce wird freudig gebissen.
Das wärs. Hugo geht jetzt nach Hause und bereitet sich ein Kuttelgericht mit Zwiebeln, viel Kümmel und Weisswein zu.