Inkompetenz ist Chefsache

Marco Ratschiller | veröffentlicht am 06.12.2019

Inkompetenz ist Chefsache
Michael Streun | (Nebelspalter)

Wir sollten dieses turbulente Jahr nicht zu Ende gehen lassen, ohne neben «50 Jahre Mondlandung», «30 Jahre Mauerfall und «minus 50 Jahre Klimakollaps» ein weiteres Jubiläum zu würdigen: den 50. Jahrestag der Entdeckung des Peter-Prinzips. Der kanadische Psychologe Laurence J. Peter stellte 1969 die These auf, dass «in einer Hierarchie jeder Beschäftigte dazu neigt, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen». Das Peter-Prinzip bietet damit eine Erklärung für eine Beobachtung, die wir alle teilen: Warum unsere Chefs hochgradig inkompetent sind.

Falls Sie Ihren Vorgesetzten für kompetent halten, ist das ein klares Zeichen, dass er noch nicht am Ende seiner Karriere angelangt ist. Anzutreffen ist das Peter-Prinzip überall. Schon in der Schule wird meist ein besonders engagierter und beliebter Lehrer zum Schuldirektor befördert. Nur haben seine neuen Aufgaben kaum etwas mit seinen alten Fähigkeiten zu tun. Ein guter Pädagoge ist nicht einfach ein guter Verwalter, und der Ton, mit dem er seine Klasse im Griff hat, kommt im Lehrerzimmer nicht zwingend gleich gut an.

Beispiel Medien: Ein erfolgreicher Journalist, der mehrere aufsehenerregende Artikel recherchiert hat, ist noch lange kein guter Chefredaktor. Wobei ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann: Man kann auch mittelmässiger Chefredaktor werden, ohne zuvor ein guter Journalist gewesen zu sein. Beispiel Politik: Ein umtriebiger Fraktionspräsident ist noch lange kein guter Bundesrat Cassis. Das Schweizer Regierungssystem ist beförderungstechnisch ohnehin so absurd, dass man ein eigenes Prinzip nach ihm benennen müsste. Gewählt wird nach Muttersprache, Kantonszugehörigkeit und Geschlecht. Besondere Qualifikationen für eines der sieben Departemente sind drittrangig, ein frisch gewähltes Mitglied ist schliesslich das Letzte, das sich seinen Posten aussuchen darf. Noch erstaunlicher mutet an, dass auch die Parteistärke wenig relevant ist. Macht der Souverän eine Partei zu einer neuen starken Kraft, ist die Sache noch lange nicht «gerytzt». Es gilt, dem Souverän noch eine Weile zu misstrauen. Einmal ist schliesslich keinmal. Erst wenn sich der Volkwille mehrfach gleichlautend manifestiert hat, sollte ihm entsprochen werden – selbstverständlich ohne Kündigung, sondern über natürliche Fluktuation. So irrelevant kann die Zusammensetzung der Landesregierung nur sein, wenn am Peter-Prinzip grundsätzlich etwas dran ist.

Dennoch lässt sich damit nicht alles erklären: zum Beispiel die Karriere von Leuten, die so inkompetent sind, dass sie nachweislich schon in ihrem Erstjob als Immobilienmogul mehrfach scheiterten. Falls es ein Trost ist: Immerhin kann dieser Mogul von seiner heutigen Position nicht noch höher aufsteigen. Auf Wiederlesen im neuen Jahr!

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