
Wer selber je ein Haus gebaut hat, weiss, wie schwierig es ist, tausende von Details zu beachten. Deshalb überträgt man die Verantwortung einem Architekten. Womit dieser überfordert ist, wie der exklusive Blick ins Tagebuch eines renommierten Architekten beweist.
Montag
Sitzung mit Stüssis von der Rebhalde. Ihr fällt plötzlich ein, dass sie Warmwasser in der Badewanne braucht. Hätte sie auch früher sagen können. Er erkundigt sich, wozu im Kinderzimmer 5 Schalter montiert, jedoch 555 verrechnet worden seien. Wahrscheinlich ein Tippfehler. Empfohlen, zum Sparen auf das Balkongeländer zu verzichten. In fünf Jahren sind die Kinder gross, und wenn wir nur noch nach SIA bauen, kann das sowieso keiner zahlen.
Dienstag
Ofenbauer ruft an (Projekt Katzentobel) und will wissen, wieso in der Ausschreibung eine Leistung von 85 K verlangt wird. Der Bauphysiker meint, das sei ein Fehler, es handle sich um Kilowatt und nicht Kelvin. Diese Tüpflischiesser mit ihren Theorien. Der Ofen muss doch einfach genügend heizen.
Am Nachmittag das MFH Schützengasse gezeichnet und danach Tennis gespielt.
Mittwoch
In der Rebhalde habe der Schreiner die Küche einen halben Meter neben dem Plan montiert. Vermutlich auf Verlangen von Frau Stüssi. Armierung der Garagendecke ist kein Meisterwerk, aber nach dem Betonieren fällt das nicht auf.
Nach dem Mittag dem Stift gesagt, er solle nochmals ein MFH zeichnen, danach könne er Feierabend machen. Seine Freundin wird heute volljährig.
Donnerstag
Die Heizung für das Katzentobel wird sechzigtausend Franken teurer als veranschlagt. Zum Glück hat der Bauherr genug Geld. Nach dem Znüni Krisensitzung bei Hiltis. Der Carport verletzt den Grenzabstand. Wieso sieht der Stahlbauer das nicht? Kann der nicht mitdenken? Am Schluss hängt es immer am Architekten. Durch das Dach dringt Meteowasser. Dem Spengler gesagt, er soll genug Silikon mitnehmen.
Freitag
Lange erwartete Bauabnahme mit Abeggs. Energetische Schwingungen im Raum sind einmalig, Baukörper fügt sich harmonisch ins Gelände ein. Proportionen perfekt. Frau Abegg bemängelt das Fehlen der Waschmaschine und dass in der Küche der Strom noch nicht funktioniert. Die üblichen Details. Herr Abegg will wissen, warum das Garagentor dunkelgrün statt blau ist. Dieser kleinkarierte Bünzli wird mir noch dankbar dafür sein, dass ich dieses hässliche Blau verhindert habe.
Montag
In der Rebhalde fehlen Leerrohre in der Garagendecke. Während des Aufspitzens des Betons erscheint Stüssi und stellt blöde Fragen wegen der Armierung. Was hat der zu dieser Zeit auf dem Bau zu suchen? Würde besser arbeiten, das Geld wird er noch brauchen, wenn die Bauabrechnung steht. Seine Frau reklamiert telefonisch, die Küche sei 48 Zentimeter zu weit links, akzeptiert aber meinen Kompromissvorschlag, wonach die Küche bleibt und dafür der Zügeltermin nicht verschoben wird. Für diese Kommunikationsleistung schuldet mir der Schreiner einen Bonus.
Dienstag
Abegg motzt wieder. Will unbedingt ein blaues Garagentor. Der Maler wird das Tor blau streichen und die Arbeit im Regierapport als «diverse Nachbesserungen» aufführen. Nicht dass Abegg noch eine Herzkrise bekommt, er ist mit den Zahlungen im Rückstand.
Am Nachmittag auf dem Grundbuchamt die Schützenwiese überschrieben. Als Chef der Baukommission kann ich da unbürokratisch vorwärtsmachen. Hatte genügend Zeit gewonnen, um den Rest des Nachmittags Tennis zu spielen.
Mittwoch
Die Rebhalde raubt mir den Schlaf. Bauherr macht hinter meinem Rücken mit dem Schreiner ab, dass die Küche nun doch versetzt wird. Frau Imboden soll ihm eingeschrieben mitteilen, dass seine Einmischung vertragswidrig ist und wir jegliche Haftung ablehnen.
Am Nachmittag mit dem Lehrling gestritten. Der freche Schnösel behauptet, man könne im Internet problemlos Sonnenstandsdiagramme herunterladen. Wir sind Architekten und nicht Astrologen.
Donnerstag
Stüssi wieder am Telefon. Will jetzt die Bauleitung persönlich übernehmen. Solang er die Rechnungen zahlt, solls mir recht sein. Habe sowieso keine Zeit für diese Baustelle im Aargau unten.
Abends Baukommission. Baugesuch Brüschweiler abgeschmettert. Wir brauchen keine Basler Architekten hier. Wenn Brüschweiler nicht mit uns bauen will, kann er ja zurück nach Basel ziehen.
Freitag
Wieder Stüssi am Telefon. Droht mit einer Klage wegen des Vorschlags, ganz auf das Balkongeländer zu
verzichten. Von einem gestandenen Rechtsanwalt würde man erwarten, dass er von Anfang an weiss, was er will. Die Schlosserei Frei offeriert telefonisch ein einfaches Stahlgeländer, grundiert, für 3500 Franken. In Abeggs Bauabrechnung hat das sicher noch Platz.