
Darf man das überhaupt, einen Papst in dieser Rubrik aufnehmen? Oder muss man es sogar, nach dem, was passiert ist? Nämlich nichts. Wieder einmal nichts.
Wer von euch ohne Zweifel am Pontifikat des gebürtigen Argentiniers Jorge Mario Bergoglio ist, der werfe den ersten Leserbrief ein. Papst Franziskus: Das ist in der jüngeren Zeitgeschichte nach Barack Obama der Mann, der mit den meisten Vorschusslorbeeren in sein Amt kam. Oder muss man in diesem Fall besser von der Vorschussdornenkrone sprechen?
Kürzlich hat Franziskus die jüngst erblühten Hoffnungen auf eine zaghafte Lockerung des Zölibats und eine mögliche Priesterweihe für Frauen wieder zunichtegemacht. Nach seinem siebten Jahr auf dem Heiligen Stuhl ist klar: Ein Reformpapst wird das nicht mehr. Otto Waalkes würde wohl kalauern: «Was Vatikan, kann Mutti weiterhin vergessen.»
Aber Vatikan offensichtlich auch selbst einiges nicht – zum Beispiel über den eigenen Schatten springen. Im Management-Jargon gesprochen hat die Human-Resources-Abteilung der katholischen Kirche zwar ein akutes Recruiting-Problem, ist aber dennoch nicht bereit, ihre Corporate Identity zu überarbeiten. Der Verwaltungsrat scheint weiterhin mehrheitlich der Ansicht zu sein, priesterliche Ehelosigkeit sei ein zentrales Alleinstellungsmerkmal. Doch dieser USP, Unique Selling Point, verkauft sich nicht mehr.
Nur bewegen wir uns mit diesem Unternehmenssprech wieder auf einer Vergleichsebene, die nicht statthaft ist. Hier schielt schliesslich kein internationaler Multi nervös auf Quartalszahlen. Da mögen die eingefahrenen Mitglieder-Verluste noch so hoch sein, eine zweitausendjährige Institution rechnet eben anders. Der Zölibat wurde schliesslich auch erst anno 1073 für alle Priester verpflichtend eingeführt, warum sollte man so was jetzt schon wieder überstürzt abschaffen?
Müssten wir uns nicht vielmehr fragen, warum nicht auch bei anderen Schlüsselpositionen in Politik und Gesellschaft dank dem Gebot der Ehelosigkeit sichergestellt wird, dass sich eine Führungsperson voll und ganz auf ihr Amt konzentriert, für das sie ja oft das Vielfache eines Büezerlohnes bezieht? Ein alleinstehender Andreas Meyer hätte in den vergangenen Monaten gewiss die Zeit gefunden, die Pannen in den SBB-Dosto-Doppelstockzügen eigenhändig selbst zu beheben. Ein unverheirateter Prinz Harry wäre heute noch Liebling von Queen Elizabeth. Ein kinderloser Donald Trump hätte das Weisse Haus nicht in ein korruptes Familienunternehmen umgebaut.
Genau so scheinen einflussreiche Kreise im Vatikan zu argumentieren. Obwohl: Die einflussreichen Kreise des Vatikans sind der beste Beweis, dass man auch ohne Familienbande Seilschaften knüpfen kann, die jedem Sturm trotzen. Das bekommt auch Stürmer und Dränger Franziskus zu spüren. Er, der sich seinen Papstnamen romantisch in Anlehnung an den Tierflüsterer Franz von Assisi zulegte, hört im Lateranpalast vor allem das Raunen der Wölfe im Schafspelz.
Ist ein Papst im heutigen Vatikan eigentlich, um nochmals zum Management-Duktus zurückzukehren, der CEO eines weltumspannenden Konzerns oder eher der telegene Mediensprecher, welchen die wahre Machtriege ans Fenster zum Petersplatz stellt, um der Stadt und dem Umkreis ein freundlich geschminktes Gesicht zu präsentieren? Viel spricht dafür, dass Letzteres der Fall ist. Wenige Wochen vor Franziskus’ Rückzieher macht die Meldung die Runde, dass Josef Ratzinger als Gegenpapst ausser Dienst aktiv Front macht gegen die Priesterehe – selbst, wenn es nur eine Ausnahmeregelung für sehr entlegene Gebiete im Amazonas darstellen würde. Kirchennahe Medien schreiben seit Tagen über den «Krieg der Päpste» und den «Geist der Kirchenspaltung, der nun endgültig aus der Flasche sei».
Kirchenspaltung? Mit Schismen ist die alleinseligmachende Kirche überaus vertraut. Jesus, der geniale Querdenker, Unruhestifter und Erneuerer, wollte selbst kein Christentum, sondern das Judentum reformieren. Er hat ein Haus hinterlassen, das Bewohner, die es renovieren wollen, lieber vor die Tür stellt, als über Sanierungspläne zu reden. Zurück bleiben am Ende einzig noch jene, die weit mehr das alte Gebäude bewahren wollen als den frischen Geist, in dessen Namen es ursprünglich erbaut worden war. Dieses Gleichnis hätte Jesus bestimmt gefallen.