Jedem sein Ei

Gerd Karpe | veröffentlicht am 03.04.2020

Die Internationale Vereinigung der Osterhasen (IVDO) lässt es sich in diesem Frühjahr nicht nehmen, prominenten Persönlichkeiten der Weltpolitik ein Osterei ins Nest zu legen. Auf der Empfängerliste in der Zentrale der IVDO sind unter anderem Präsenteier für folgende Adressaten aufgeführt:

Jedem sein Ei
Sandro Fiscalini | (Nebelspalter)

Das Merkel-Ei für die deutsche Kanzlerin in Berlin ist kein bisschen attraktiv. Das triste, hoffnungslose CDU-Schwarz der Verpackung löst keine Zuversicht aus. Die Füllung ist undefinierbar und bei Weitem nicht jedermanns ­Geschmack. In Fachkreisen gilt das Merkel-Ei als nicht empfehlenswert. Es erweist sich als schwer vermarktbar.

Das Macron-Ei – in Frankreich auch oft als Renten-Ei verspottet – ist dem Vernehmen nach vorwiegend mit diversen Beruhigungsmitteln gefüllt. Im Vorfeld hat das Renten-Thema seit vielen Wochen Menschen auf die Strasse getrieben, die protestieren, weil sie sich vereiert fühlen. Selbst in den Ostertagen wird das Macron-Ei in Frankreich mit Sicherheit kein Verkaufsschlager werden.

Das Johnson-Ei – ein stolzes Brexit-Exemplar – versucht allen Versprechungen gerecht zu werden, auch oder besonders den leeren. Seit Kurzem von lästigen EU-Vorschriften befreit, ist es als Hit der Ostertage gedacht. Die Erwartungshaltung ist in Grossbritannien wie immer gross. Brexit-Gegnern dreht sich schon bei dem blossen Gedanken an das Johnson-Ei der Magen um.

Das Putin-Ei – eine sehr eigenwillige Schöpfung aus schokoladenähnlicher Masse und billigem Wodka – hat trotzdem Freunde, auch im Westen. Den bitteren Beigeschmack bekommt das Ei durch Zutaten wie den Ukraine-Kümmel, den Syrien-Senf und den libyschen Lorbeer. Das schadet keineswegs seiner Beliebtheit. Echte Putin-Fans schlucken alles, auch wenn es im Halse würgt. Das Xi-Ei aus Peking ist schwer angeschlagen. Die Wahrheit ist, es handelt sich in diesem Jahr in China um ein Quarantäne-Ei. Überall lauert das Coronavirus. Vielen Bürgern im chinesischen Reich ist der Appetit restlos vergangen. Zyniker sprechen dennoch von einer gelungenen Oster­überraschung für die ganze Welt.

Das Trump-Ei ist in Amerika ein echter Renner. Es ist gross, es ist dick, es macht von sich reden. Eben ein typisches Trump-Produkt. Die Republikaner feiern es als den festlichen Beweis für erfolgreiche Politik. In den Augen der Demokraten ist es nicht mehr als eines der üblichen Windeier aus dem Weissen Haus.

Das EU-Ei geht als Überraschungsei nach Brüssel. Empfängerin ist die frisch gewählte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Das EU-Ei quillt förmlich über angesichts der Unmengen guter Wünsche für lobenswerte Absichten und den Versuch, diese politisch umzusetzen. Die Geschmacksrichtung ist eher herb
als süss. Die EU-Uschi und ihre Kommissare werden sehr lange daran zu kauen haben.

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