Grillzeit: Heisses Eisen

Ralph Weibel | veröffentlicht am 05.06.2020

Sie können uns den Fussball verbieten, den Barbesuch madig machen und uns ins Homeoffice zwingen. Doch eines lässt sich der Mann nicht nehmen, das zünftige Einheizen seines Grills. Die Esse dient nicht alleine der Verkohlung von Fleisch. In ihr wird das Eisen der Beziehung geschmiedet. Grillieren spiegelt den Stand der Emanzipation.

Grillzeit: Heisses Eisen
Burkhard Fritsche | (Nebelspalter)

Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist dünnes Eis. Sehr dünnes Eis. «Emanzipation ist der Versuch, auch hässliche Frauen in die Gesellschaft zu integrieren», kolportierte einst der ehemalige Kanzlerkandi­dat Deutschlands, Oskar Lafontaine. Immerhin ein linker Politiker. Natürlich löste er mit dieser Aussage einen mehr als berechtigten Sturm der Entrüstung aus.

Keulen statt Worte

Wenn einem Mann die Argumente fehlen, greift er in der Klaviatur seiner Verteidigungsstrategien darauf zurück, was ihm von der Evolution geblieben ist: den direkten Angriff auf seinen Gegner. Nun ist allgemein bekannt, dass Männer Probleme nicht mit Worten lösen, sondern mit Keulen. Da wir glücklicherweise gelernt haben, nicht alles mit Gewalt zu lösen – wobei ein Blick in die Welt, nach Syrien, in die Ukraine oder Westafrika, doch ernsthafte Zweifel über diese Erkenntnis aufkommen lässt –, müssen wir mit etwas weitaus Schwierigerem zurechtkommen: Argumenten, sprich Worten. Zu was das führen kann, hat uns Oskar Lafontaine vorgeführt. Vielleicht hat die Eiserne Lady, Maggie Thatcher, an ihn gedacht, als sie sagte: «Wenn Sie in der Politik etwas gesagt haben wollen, wenden Sie sich an einen Mann. Wenn sie etwas getan haben wollen, wenden Sie sich an eine Frau.»

Um dies zu belegen, bietet sich der archaische Akt des Grillierens an. Bei den meisten Paaren stellt sich über die Jahre eine gewisse Routine ein, um nicht zu sagen, man versteht sich blind, was den Ablauf eines ordentlichen Grillfestes betrifft. Dabei sind die Rollen klar verteilt.

Während der Mann gekonnt ein paar Holzscheite assortiert und entzündet, beginnt die Frau, in der Küche Kartoffeln zu schälen. Der Mann setzt sich neben das Feuer und schaut zu, wie die Flammen um das Holz spielen. In der Zwischenzeit schält die Partnerin Kartoffeln, schneidet und würzt sie und lässt sie im Backofen zu einem Gratin werden. Der Mann sitzt am Feuer. Frau wäscht und schneidet Tomaten, Mozzarella und grünen Salat. Mann legt ein Holzscheit nach.

Bier aus dem Keller

Ist das vegetarische Grillstörgut fertig, rührt Frau italienische und französische Salatsaucen an. «Kannst du mir bitte aus dem Keller eine Flasche Olivenöl holen», ruft sie aus der Küche. Mann kann nicht. Vom Blick ins Feuer romantisiert, hat er sich eben eine Zigarette angezündet. «Bring doch bitte gleich noch Bier aus dem Keller!», ruft er ihr nach, als sie die Treppe hinuntersteigt. Mann schiebt mit dem Feuerhaken Holzstücke herum, bis die Glut perfekt ist, und nimmt sich ausgiebig Zeit, den Erfolg seines Handelns zu bewundern. Da Frau eben mit einer Schüssel Chips, den geschnittenen Gemüse-Dips und dem selbstgemachten Tsatsiki nach draussen kommt, bittet Mann sie, ihm ein Bier zu bringen, damit er auf sein Werk trinken kann.

Leider muss er das alleine machen, weil Frau jetzt unbedingt das Fleisch marinieren muss. Schon kommen die ersten Gäste, die sich beeindruckt zeigen von der pyromanischen Kunstfertigkeit. Mann übernimmt die verantwortungsvolle Aufgabe, die Besucher zu unterhalten, und zelebriert das Entkorken einer Weinflasche. Glücklicherweise hat Frau die Gläser schon poliert. Mann führt die Gäste durch den Garten und nimmt die Komplimente für den gepflegten Rasen, das frisch gejätete Blumenbeet, die akkurat aufgebundenen Bohnen und die fachmännisch geschnittenen Rosen mit den Worten entgegen: «Den Garten macht meine Frau.» Diese erhält in der Küche jetzt Hilfe von den anderen Gästinnen, welche die Männer alleine im Garten lassen. Die trinken Bier und reden fachmännisch über Fussball.

Fleisch ist Männersache

Der Gastgeber bewegt sich erst wieder, um den perfekten Höhepunkt einer jeden Garten-Party zu zelebrieren: das Grillieren des Fleisches. Dieser Akt ist dem Herrn des Hauses vorbehalten. In der Zwischenzeit stösst seine Frau kurz mit den Gästen an, bevor sie Eiswürfel holt, hier ein fehlendes Glas bringt, dort eine Serviette reicht, Salat schöpft, den Gratin aus dem Ofen holt und einen fehlenden Stuhl organisiert. Mann serviert mit gebührendem Pathos das Fleisch. «Was rennst du denn dauernd rum?», fragt er seine Frau, die während des Essens kaum am Tisch sitzt. Sie rennt in die Küche, holt einen Salzstreuer, einen Lappen, wischt verschütteten Wein weg, bringt da eine Gabel, dort einen Teller und fragt schon, ob jemand Kaffee wolle.

Gemeinsam einsam

Die Komplimente der sich verabschiedenden Gäste muss Mann alleine entgegennehmen. Frau ist damit beschäftigt, die Küche aufzuräumen. Sind die Besucher weg, nimmt Mann Frau in den Arm, drückt ihr einen Kuss auf die Stirn und sagt: «Toll, wie wir diesen Abend wieder gemeinsam gemeistert haben!»

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