
Verhüllung kann durchaus zur Kunst werden, wie der unlängst verstorbene Christo, zusammen mit seiner Frau Jeanne-Claude, wiederholt unter Beweis stellte. Problematisch wird es, wenn Beamte ihre kreative Ader entdecken und dem Künstlerpaar nacheifern. Aus dem Wunsch, der Nachwelt in Erinnerung zu bleiben, wird dann die Maskenpflicht.
In diesen merkwürdigen Zeiten läuft einiges aus dem Ruder. Das Bundesamt für Gesundheit lässt einen jungen Mann sterben und später auferstehen, an Risikogruppen werden Schimmelmasken verteilt und Kantone schreien entsetzt auf, wenn das Veranstaltungsverbot mit über 1000 Besuchern fällt. Derweil tummelt sich die Spassgesellschaft, bis die Clubs und Bars als Epizentrum der Ansteckung identifiziert, geächtet und schliesslich rehabilitiert werden, weil sich die meisten Leute doch im trauten Kreis der Familie anstecken, was die Anhänger der absoluten Sicherheit schon überlegen lässt, nur noch Einpersonenfamilien zuzulassen. Wenigstens könnte so der grassierenden Doppelnamenflut endlich ein Riegel geschoben werden. Zur Verhinderung der Vereinsamung bekommt dafür jeder ein Haustier oder auf Wunsch zur Selbstversorgung ein domestiziertes Nutztier. Am besten ein Schaf, damit die von der Weide verschwinden und in Zukunft der Wolf genügend Freiraum vorfindet.
Zwecklose Meldungen
Die staatstreuen Medien wiederholen gebetsmühlenhaft die «steigenden Ansteckungszahlen», obschon sich diese national auf einem überschaubaren Niveau eingependelt haben. Weil das nicht genügend Schrecken verbreitet, werden etwelche Zahlen rezitiert, die ohne Zusammenhang nutzlos sind, wie «die Weltgesundheitsorganisation WHO vermeldet weltweit 300?000 Neuinfektionen an einem Tag». Auch nach einem halben Coronajahr haben wir nicht begriffen, wie zwecklos solche Meldungen sind. Angesichts der leicht panischen Grundstimmung darf, wer in Genf heiratet oder Geburtstag feiert, künftig nicht mehr als 100 Personen einladen. Daran, uns zu registrieren, wenn wir am Kiosk unseres Vertrauens – so dieser überhaupt noch geöffnet hat und nicht wegen fehlenden Umsatzes geschlossen wurde wie der Kiosk bei der Nebelspalterredaktion – einen Kaugummi kaufen, haben wir uns längst gewöhnt. Natürlich braucht es überall Schutzkonzepte. Dazu gehört die Eindämmung oder noch besser Verhinderung von gefährlichen Aerosolen.
Maskenball
Auf einem guten Weg ist deshalb der Sturz des Verhüllungsverbotes, mit durchaus positiven Folgen. Abgesehen vom Gefühl, man befinde sich gerade auf einem Krankentransport oder der Evakuation nach einem atomaren Unglücksfall, wenn man im öffentlichen Verkehr unterwegs ist, muss man nicht in die traurigen Gesichter der Mitreisenden mit den nach unten hängenden Mundwinkeln schauen. Dabei müsste man ein Dauergrinsen im Gesicht haben, wenn man an all diese Aufklärungsvideos denkt, in denen einem erklärt wird, wie mit dem neusten Modeaccessoire der Welt richtig umgegangen wird. Alleine beim Betrachten dieser Videos überlegt man sich, ob wir wirklich alle so bescheuert sind. Sogar wie man das Gummibändchen über das Ohr zieht, wird einem in einer Ernsthaftigkeit erklärt, als ob es dabei um Verhütung ginge und das Vermeiden, die Eltern zu Grosseltern zu machen. Keine Antwort gibt es darauf, wie die wiederverwertbare Maske zusammengeknüllt und in den Hosensack gesteckt werden soll, ohne die toxische Oberfläche zu berühren und so zum Superspreader zu werden, der das halbe Dorf auf dem Gewissen hat.
Terrorwarnung
Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob sich verhüllende die besseren oder die schlechteren Menschen sind. Tatsache ist, dass es in Ländern mit einer Verhüllungspflicht wesentlich mehr Terroranschläge gibt als in solchen ohne. Wenngleich ein spontanes Husten oder ein lustiges Niesen nach einem zünftigen Schnupf in der Öffentlichkeit ohne Maske mittlerweile genauso argwöhnisch wahrgenommen wird wie das Zünden eines um den Bauch geschnallten Sprengsatzes auf einem belebten Markt. «Inschallah!» Wobei es dabei ein ähnliches Verhältnis gibt wie bei uns: Nicht jede(r), der sich verhüllt, verbreitet zwangsläufig Tod und Verderben durch Viren oder Detonation, im Gegenteil, die meisten sind harmlos.
Neue Regeln
Unbestritten, da sind sich Psychologen einig, vereinfacht das Tragen von Masken die Kommunikation nicht. Da wir aber alle an unserem Leben hängen und Masken unverzichtbar sind, müssen neue Regeln im Umgang damit gefunden werden. Statt Englisch oder Französisch könnte man an unseren Schulen beispielsweise Gebärdensprache unterrichten. Gewünscht ist ein moralischer Umgang. Sprich, selbst wenn es einem auf der Zunge brennt, sollte man diesem vertrottelten Gegenüber die Zunge nicht herausstrecken. Nicht vernachlässigen sollte man die Dentalhygiene, was mit Masken wenigstens mal die trifft, die aus dem Mund riechen wie eine mittelalterliche Kloake. Offen bleibt die Frage, ob es sich für eine Frau – jetzt habe ich mich wieder beim Vorverurteilen ertappt – oder einen Mann lohnt, einen teuren Lippenstift unter der Maske aufzutragen.