
Woody Allen hat es für mich auf den Punkt gebracht. Gefragt nach seiner Einstellung zum Tod, erwiderte er: «Ich bin total dagegen.» Dem ist so recht eigentlich nichts hinzuzufügen, wenn da nur die Tatsache nicht wäre, dass unsere Meinungen und Vorstellungen selten mit der Wirklichkeit, wie sie nun mal ist, kompatibel sind.
Als der Zen-Buddhist Dainin Katagiri die Manager, die sich zu einem Workshop versammelt hatten, von dem sie sich Selbstoptimierung zum Zweck der Profitmaximierung erwarteten, mit den Worten begrüsste: «Wir alle werden eines Tages sterben», fanden sich nach der Kaffeepause nur noch wenige wieder im Saal ein.
Warten auf den Tod
Wie man stirbt, hat natürlich auch eine kulturelle Komponente. So meinte Erica Jong: «Wir tun uns schwer mit dem Tod. Wir finden ihn unamerikanisch.» Die Ureinwohner des Landes, die Indianer, sehen das anders. Wenn ihre Zeit gekommen ist, legen sie sich auf einen Hügel und warten auf den Tod. Das wissen wir aus dem Film «Little Big Man», bei dem Dustin Hoffman allerdings nicht der Tod ereilte, sondern der Regen.
Vor dem Tod habe er keine Angst, sagt mein Freund Hugo, doch vor einem langen Sterben. Anders gesagt: Er hat Angst vor dem, was er mitbekommt, alles andere lässt ihn kalt. Die Endzeitvariante von «Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss» also. Keine Frage, Hugo ist ein Feigling, der verdrängt, was konfrontiert gehört. Ich selber bin zwar auch nicht mutig, doch Todesangst ist Teil meines Lebens und durchaus nützlich. «Ohne das ständige Bewusstsein vom Tod ist das Leben fade. Es ist wie ein Ei ohne Eigelb», so die damals 41-jährige Autorin Muriel Spark in ihrem Roman «Memento Mori».
Als ich meinen ehemaligen Zahnarzt, der seinen Beruf liebte und mit über 90 noch praktizierte, einmal fragte, wie er sich das Leben nach dem Tod vorstelle, meinte er nur: «Schwer zu sagen. Bisher ist noch keiner zurückgekommen.»
Nahtoderlebnis
Trotzdem gibt es einige, die zu wissen vorgeben, was uns nach dem Tod erwartet. Von Ruhe und Frieden und generell paradiesischen Gefühlen berichten die mit Nahtoderlebnissen. Warum sind sie dann trotzdem nicht geblieben, wenn es denn dort so schön ist?
Doch was ist es eigentlich, das wir fürchten? Der Gedanke des Nichtseins kann es nicht sein, denn dann müssten wir «mit gleichem Schauder der Zeit gedenken, da wir noch nicht waren. Denn es ist unumstösslich gewiss, dass das Nichtsein nach dem Tode nicht verschieden sein kann von dem vor der Geburt, folglich auch nicht beklagenswerter», schrieb Arthur Schopenhauer.
Denken hilft
Nun ja, Angst haben wir trotzdem. Und so stellt sich wieder einmal die Frage, ob Denken eigentlich hilft. Eher nicht, ist man versucht zu sagen, denn obwohl mir einleuchtet, dass es keinen wirklichen Grund gibt, mich vor dem Tod zu fürchten, tue ich es doch. Und klammere mich ans Leben. Was mich auch deswegen verblüfft, weil ich es so toll nun auch nicht finde. Und jetzt, was tun? Woody Allen weiss es: «Gut, gibt es eben keinen logischen Grund, sich ans Leben zu klammern, aber wen interessiert schon, was der Kopf sagt? Das Herz sagt: Hast du Lola in dem Minirock gesehen?»