
Unter den Kosmetika in einem Spiegelschrank war ein Streit darüber entbrannt, welche Tinktur oder Salbe wohl die wichtigste und wertvollste für den Menschen sei. Das Protokoll dazu beweist: Wer schön sein will, muss leiden, doch die meisten leiden auch hässlich.
«Ich bin zweifellos die Nummer eins, auch wenn ich Nummer fünf genannt werde», behauptete das Parfüm. «Keiner von euch duftet so wunderbar wie ich.»
«Verdufte, Angeber!», rief das Badesalz. «Wenn ich auch nicht das Salz
in der Suppe des Menschen bin, so bin ich es doch in seinem Badewasser. Im Gegensatz zu dir sorge ich für die Ganzkörperpflege.»
Gegen die Behauptung des Badesalzes erhob sich energischer Protest. Der menschlichen Ganzkörperpflege zu dienen, nahmen auch das Cremebad, das Ölbad, das Duschgel, die Bodylotion und der Bodypflegebalsam für sich in Anspruch. Das Badesalz könne mitnichten einen Alleinvertretungsanspruch für die menschliche Ganzkörperpflege geltend machen.
Im Dienste des Hauptes
Weitere Kosmetika des reich bestückten Spiegelschrankes meldeten sich zu Wort. Sie waren alle davon überzeugt, dass die anspruchsvolle, komplexe menschliche Körperpflege heutiger Zeit ohne sie unmöglich sei. Shampoo, Haarspray und Haarfestiger behaupteten, die Hauptrolle in der menschlichen Körperpflege zu spielen. Schliesslich seien sie es ja, die dem wichtigsten Körperteil des Menschen, seinem Haupt, dienten und ihm erst Glanz verliehen.
Kein Mensch brauche heute noch Haare – nicht auf dem Kopf und schon gar nicht am Körper, nicht mal an den intimsten Stellen, entgegneten Rasierschaum, Rasierwasser sowie Pre- und After-Shave-Spray.
Die Körperpflege reiche jedoch von Kopf bis Fuss, gaben die Fusscreme, das Fusspuderspray und die Hornhautreduziercreme zu bedenken. Ohne sie gehe es nicht, könne kein Mensch richtig gehen.
Die Haut sei das grösste Organ des Menschen, meldeten sich die Hautcremes zu Wort. Deshalb seien sie für die menschliche Körperpflege am wichtigsten. Badesalz und Cremebäder täten ihr gar nicht gut, meinte die Fettcreme. «Wir sind Tag und Nacht für den Menschen da», betonten die Tages- und die Nachtcreme. «Und ich schütze seine Haut vor dem gefährlichen Sonnenbrand», bekräftigte die Sonnencreme. «Ich schütze sein Gesicht auch dann, wenn die Sonne nicht scheint», bemerkte die Gesichtscreme. «Und ich bewahre die Haut vor Falten», ergänzte die Faltencreme. «Dank mir geht dem Menschen vieles leichter von der Hand», meinte die Handcreme.
Rote Lippen
«Das sind doch alles nur Lippenbekenntnisse!», rügte sie, seine Lippen spitzend, der Lippenstift. «Dank mir gehen dem Menschen die Worte leichter über die Lippen. Und schöne rote Lippen küsst man(n) besonders gern.»
Auf das Gesicht des Menschen käme es an, behaupteten unisono Reinigungsmilch, Rouge, Wimperntusche, Eyeliner, Lidschatten und Schminke.
Wichtig seien auch schöne bunte Fingernägel, meinte der Nagellack.
«Unsinn!», entgegnete der Nagellackentferner.
«Und was ist mit den Zähnen? Im Gegensatz zu euch braucht mich der Mensch mehrmals täglich», meldete sich die Zahnpasta zu Wort, um damit ihre Wichtigkeit zu unterstreichen.
«Ohne Antitranspirants geht heute gar nichts», mischten sich Deospray, Deostick und Deoroller in die hitzige Kontroverse der Kosmetika im Spiegelschrank ein. Ihr Streit, wer von ihnen nun am wichtigsten, ja unentbehrlich sogar für die menschliche Körperpflege sei, drohte zu eskalieren. Tumultartige Szenen spielten sich im Schrank ab.
«Ihr seid alle entbehrlich», ergriff nun auch die Seife das Wort. «Ich genüge vollauf für die menschliche Körperpflege. Sich oft und gründlich die Hände zu waschen, ist ohne Zweifel vor allem in Zeiten der Corona-Pandemie für den Menschen am wichtigsten.»