
Neulich kam meine Nachbarin zu mir in die Waschküche. War etwas verwundert, weil mein Waschtag war. Schweizerinnen und Schweizer haben einen eigenen Waschtag, der auf einem Waschplan festgeschrieben ist und der so unverrückbar ist wie der Tatort am Sonntagabend.
Der Plan hängt neben der Anweisung der Hausverwaltung, dass die Waschmaschine nach Gebrauch gereinigt, der Luftfilter vom Tumbler entfusselt, der Boden zumindest gewischt, besser feucht aufgenommen oder – noch besser – klinisch rein geleckt werden muss. Über dem Arm meiner Nachbarin lag ein Kleid, das wesentlich eleganter war als der schlabbrige Jogginganzug, der sie unvorteilhaft kleidete. «Könnten Sie das für mich mitwaschen?» Sie hielt mir das Kleid hin. Verwundert fragte ich, ob es so dringend wäre. «90 Grad», sagte sie. Ich nahm das Kleid. Auf dem Etikett stand «Yves Saint Laurent», «Kaschmir» und «Handwäsche».
«Die 90 Grad würden das Kleid umbringen», sagte ich. «Könnten Sie die Schuhe gleich mit in die Maschine geben?», fragte sie und hielt mir hochhackige Pumps aus Satin mit Kristallen von Prada hin. «Was ist denn mit Ihnen los?» Sie bräuchte Geld, sagte sie. «Und deshalb schmeissen Sie den Plunder weg?» – «Nein, zu Ihnen in die Waschmaschine.» Sie erklärte, ich könnte Schuhe und Kleid bei meiner Versicherung angeben, das Geld kassieren und ihr geben. Zehn Prozent seien für mich. Ich zögerte. Sie riss mir Kleid und Schuhe aus der Hand, warf sie in die Trommel und bevor ich michs versah, schnappte die Bullaugenglastüre zu und ward die Starttaste gedrückt. «Spinnen Sie?» Ich solle locker bleiben, meinte sie. «Der Kram ist mindestens 3000 Franken wert», schrie ich. Sie pflichtete mir bei: «Ihre Haftpflichtversicherung wird das bezahlen.»
Während der Waschgang andauerte, holte meine Nachbarin eine Flasche Prosecco aus dem Keller des Nachbarn, der sein Vorhängeschloss nie zudrückt, weil der Idiot zu faul ist, um es aufzuschliessen. Wir improvisierten auf der Waschmaschine einen kleinen Stehapero. «Sag mal» – schnell waren wir zum Du übergegangen – «wie soll ich meiner Versicherung erklären, wie ich dazu kam, das teure Kleid und die Schuhe meiner Nachbarin zu waschen?» Wir einigten uns gemeinsam darauf, die Gegenstände seien zwecks Lagerung in die Waschtrommel gelegt worden.
«Liebe Mobiliar, beim hemmungslosen Sex mit meiner Nachbarin auf der Waschmaschine wurde diese, also die Waschmaschine, versehentlich in Gang gesetzt. Während wir völlig von Sinnen waren, schrumpfte das sauteure Kleid zu einem Strampelanzug für einen Teddybären.» Zum Beweis legten wir die kümmerlichen Reste des Yves-Saint-Laurent-Fummels der Schadensmeldung bei. Dazu eine Zeichnung eines Strichmännchens und eines Strichweibchens auf einer Waschmaschine.
Nach drei Wochen überwies die Versicherung das Geld. Das motivierte uns und wir dehnten die Methode auf die restlichen Mieter in unserem Wohnhaus aus. Mittlerweilen gibt es in der Waschküche einen separaten Wäschekorb. In dem deponiert man ganz einfach eine alte Skijacke, einen Sakko, Seidenunterwäsche oder Ähnliches und legt ein bereits ausgefülltes Schadensformular dazu, wer mit wem auf der Waschmaschine hat.
Die regelmässigen Zahlungen der Versicherung haben uns recht vermögend gemacht und mutiger. Längst melden wir nicht nur noch Kleidungsstücke. Gabi aus dem dritten Stock hat sich imaginär zu einer neuen Mikrowelle geschlafen, ich habe ein neues Mountainbike und die Familie Gulavcevic einen Satz frische Winterpneus.
Doch unsere Geldquelle scheint zu versiegen. Die Hausverwaltung hat einen Brief neben den Waschplan gehängt. Darin verlangt die Mobiliar, wir sollten unsere Orgien in der Waschküche unterlassen und es draussen treiben. Ordnung muss sein.