Verhüllungsobligatorium: Wie es dazu kam

Ruedi Stricker | veröffentlicht am 26.02.2021

Verhüllungsobligatorium: Wie es dazu kam
Gabriel Giger | (Nebelspalter)

Bern, 7. März 2021
Das Stimmvolk nimmt das sogenannte Burkaverbot nach einem emotional geführten Abstimmungskampf an. Während die Befürwortenden die Stärkung der Frauenrechte begrüs­sen, bedauern die Verlierer den Verlust an Frauenrechten.

Bern, 19. September 2021
Das Bundesgericht bodigt die Initiative für ein Verbot des Offenverkaufs von Kichererbsen mit der Begründung, das Verbot sei materiell nicht verfassungswürdig.

Verbier, 10. Dezember 2021
Die israelische Anwältin Shira Ben Gurion wird wegen Übertretens des Verhüllungsverbots streng gebüsst. Sie ficht die Busse mit der Begründung an, sie sei keine Muslima und trage ihre FFP2-Maske zum Schutz vor einer Ansteckung durch die grassierende Grippe.

Bern, 28. Dezember 2021
In Jerusalem wird der Botschafter einbestellt. Für den Fall einer Verurteilung von Frau Ben Gurion wird den Eidgenossinnen und Eidgenossen nicht nur der Weiterzug des Urteils, sondern auch die Einführung neuer Kleider- und Frisurvorschriften für Schweizer Touristen angedroht. Konkret ist die Rede von Schläfenlocken für Männer.

Al Jazeera, 8. Februar 2022
In Israel bricht nach der Einführung der neuen Vorschriften der Tourismus ein. Lachender Dritter ist Saudi-Arabien, das seine Löcher in der Staatskasse durch neue Tourismusformen füllen will. Ungeachtet der strengen religiösen Vorschriften für Einheimische will das wahhabitische Land jährlich zwölf Millionen FKK-Touristen ins Land holen.

Zürich, 17. August 2023
Um das politische und rechtliche Hickhack zu beenden, beschliesst der Zürcher Kantonsrat das «Gesetz zur Identifikation im öffentlichen Raum». Dessen wesentlichste Bestimmung lautet: «Ungeachtet der Bedeckung der vorderen Kopfhälfte gilt die Beachtung der allgemeinen Verpflichtung zum Tragen der offiziellen Armbinde mit der AHV-Nummer des/der Träger/in als genügend.»

Bülach, 3. März 2024
Die schweizerisch-jemenitische Doppelbürgerin Souad al Hathloul scheitert vor dem Bezirksgericht. Es könne nicht angehen, dass Doppelbürger ihre Rosinenpickerei so weit treiben, dass sie Bestimmungen des Öffentlichen Rechts nach Belieben gegeneinander ausspielen. Das Nichttragen der offiziellen Armbinde kostet sie eine happige Busse.

Egerkingen, 1. August 2024
ProIntegration, ein feministischer Frauenbund, lanciert eine Volksinitiative für die Abschaffung diskriminierender Kleidervorschriften. In treuer Anerkennung der herrschende Sachzwänge im Zusammenhang mit ansteckenden Krankheiten, Kältewellen und schädlicher UV-Strahlung verlangt sie eine obligatorische Bedeckung des Gesichts im öffentlichen Raum. Es wird vermutet, dass die Kampagne, aus mehrheitlich schi­itischen Staaten wie dem Iran und Bahrain, finanziell über Schweizer Schwarzkonten unterstützt wird.

Egerkingen, 4. August 2024
Walter Wobmann reicht im Namen des Egerkinger Komitees Strafanzeige gegen den Frauenbund «ProIntegration» ein. Dass Letztere ihren Sitz ausgerechnet in Egerkingen domiziliert, sei eine infame PR-Sauerei zur Diskreditierung der Initianten. Wobmann erklärt den anwesenden Pressevertretern, dass es in der eigen­ständigen Gemeinde Egerkingen niemand nötig hat, sein Gesicht zu verhüllen – nicht einmal ein Töfffahrer bei minus 40 Grad.

Bülach, 22. April 2025
Souad al Hathloul steht erneut vor Gericht. Es geht wieder um den gleichen Straftatbestand, jedoch in anderer Ausführung. Die Angeklagte hat nach dem Urteil vom 3. März des Vorjahres zwar ihre Binde immer getragen, jedoch nicht wie vorgesehen am linken Arm, sondern als Gesichtsbedeckung. Die Verteidigung argumentiert erfolgreich mit dem Hinweis auf ein ärztliches Zeugnis im Zusammenhang mit Durchblutungsstörungen am Unterarm. Die Staatsanwaltschaft erwägt den Weiterzug des Urteils.

Zürich, 6. Mai 2025
Tamara Funiciello tritt überraschend dem Komitee ProIntegration bei. An einer Medienkonferenz begründet sie ihre Meinungsänderung wie folgt: «Ich war immer für ein Verhüllungsverbot, aber niemals eines aus der rechtsextremen Küche. Pro­integration ist das politisch nötige Gegen­gewicht zur SVP, und ob wir Frauen alle unverhüllt oder in der Burka herumlaufen, ist doch egal, solang wir das einheitlich und freiwillig tun.»

Riad, 5. Juli 2025
Das Fass läuft über. Nachdem das Ministerium für Tourismus die weltweite Kampagne «Jeddah, das Mekka für Freikörperkultur» lanciert hatte, gehen Gläubige auf die Stras­se. Der Rektor der Universität Imam Muhammad ibn Saud ruft zum Aufstand gegen die «blasphemische Regierung» auf. Die überaus blutige Revolte wird dank Unterstützung seitens eingeflogener Söldner niedergeschlagen.

Appenzell, 12. September 2025
Da die von ProIntegration angestossene Abstimmung über die obligatorische Bedeckung des Gesichts im öffentlichen Raum am Ständemehr zu scheitern droht, greift das Komitee zu kreativen Methoden. Die Standeskommission von Appenzell Innerrhoden offeriert Ja-Stimmenden Steuerbefreiung für fünf Jahre und bürgert auf einen Schlag 430 Muslime ein. Ein Zusammenhang mit dem Bau eines Sechssternhotels durch iranische Investoren in Brülisau wird von der Regierung dementiert.

Bern, 11. November 2025
Das Verhüllungsobligatorium tritt nach vielen Jahren der Ungewissheiten endlich in Kraft.

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