
Es gibt viele Dinge auf der Welt, die ich nicht verstehe. Spanisch, Griechisch … und warum eine neu gekaufte Schere meistens so eingeschweisst ist, dass man eine zweite Schere benötigt, um die Verpackung zu öffnen.
Aber die meisten Probleme habe ich tatsächlich mit Mode. Klamotten müssen für mich nur einen Zweck erfüllen. Meinen Körper bedecken. Nicht, weil mein Körper bedeckt werden muss! Ich würde mich, objektiv gesehen, nicht als wahnsinnig heiss bezeichnen, aber doch irgendwie lauwarm. Ich trage Klamotten vor allem, weil es gesellschaftlich erwartet wird. Gut, vor Kälte sollten sie schützen, aber was sonst?
Oft wird man in der Kindheit modisch von der Umgebung beeinflusst, doch irgendwie war mir das alles egal. Aber keine Angst. Ich wurde damals nicht in der Schule verprügelt, weil ich kein Gucci getragen habe. Nein, ich gehörte zu den Kindern, die Kinder verprügelten, die Gucci getragen haben. Ich machte mir einfach nie viel aus Mode. Nicht, weil es mich an sich nicht interessierte. Ich hatte und habe immer noch einfach kein Verständnis von Schönheit und Ästhetik. Ich verstehe sogar Menschen, die Socken in Sandalen anziehen. Es ist luftig, aber trotzdem nicht zu kalt. Genauso Leute, die Gürtel und Hosenträger tragen. Es gibt auch Menschen, die beim Sex doppelt verhüten.
Ich trage nun mal gerne Schwarz, Grau und alles, was dazwischenliegt. Meine Frau hat sich vor Kurzem eine neongelbe Skijacke gekauft, damit man sie besser findet. Ich kann mir vorstellen, wie so ein Rettungshubschrauberpilot sagt: «Uwe, guck mal da unten! Schwarze Jacke im Schnee! Super Kerl, klasse mitgedacht. Der muss ganz schön Harndrang gehabt haben, liegt neben einer enorm grossen neonfarbenen Pisspfütze.»
Natürlich kann man jetzt argumentieren: «Ja, aber nachts ist das schon besser.» Vielleicht. Aber ich fahre nachts nicht Ski. Meine Schuhe müssen auch nicht zu meiner Mütze passen, sondern in erster Linie zu meinen Füssen. Wenn meine Frau fragt, wie ich ihr neues Oberteil finde, sage ich Dinge wie: «Gut» oder «Sieht schön aus». Am liebsten würde ich ihr aber sagen, dass ich es kacke finde, da ich nicht verstehen kann, wie sie etwas so Schönes wie ihren Körper mit so viel Stoff bedecken kann, und dann noch erwartet, dass ich das gut finde.
Für mich steht ganz klar der Nutzen vor der Ästhetik. Ich brauche Hosen mit Taschen, Jacken mit Kapuzen und Reissverschluss statt Knöpfen. Ja, ich würde sogar Klettverschluss tragen, wenn ich damit nicht beim Schuheausziehen die ganze Nachbarschaft wecken würde.
Das Problem ist, dass Mode für mich nur der Anfang ist. Die Spitze eines Eisbergs. Wir haben jetzt einen Wasserkocher zu Hause, der leuchtet blau. Der braucht zwar eine Stunde, um das Wasser aufzuwärmen, verwandelt dafür aber die Küche so lange in eine Disco. Geil, oder? Nein! Dasselbe gilt für Energiesparlampen. Voll fancy, voll modern, die benötigen viel weniger Energie. Ja, aber ich hab kein Bock, dass mein Klo erst dann hell ist, wenn ich mit dem Kacken fertig bin.
Vor Kurzem fragte mich meine Frau beim Einkaufen, wie ich ein Glas fände, welches sie mir entgegenstreckte. Ich hielt mich kurz und präzise und sagte: «Gut.» Am Arsch war das eine angemessene Antwort auf die Frage. «Was meinst du mit ‹gut›? Das ist nicht die Frage», sagte sie. «Ich will wissen, ob es hübsch ist und mit dem Rest harmoniert.» –
«Keine Ahnung Schatz, ich habe die Teller nicht gefragt, ob sie mit neuen Schrankmitbewohnern einverstanden sind, mein Fehler. Und ein Glas ist doch dann gut, wenn es einen Boden hat. Vielleicht noch, wenn man es stapeln kann. Aber sonst ist mir das Glas völlig egal. Ich baue keine persönliche Bindung zu diesem Glas auf. Ich muss es weder nett finden, weil ich nicht mit ihm quatschen möchte, noch schön, weil es für mich sexuell nicht infrage kommt. Das Glas tut mir weder einen grossen Gefallen, noch hat es mir etwas getan. Solange es seinen Zweck erfüllt und man daraus trinken kann, werden das Glas und ich keine Probleme bekommen, und dann ist es ein gutes Glas. Nicht mehr und nicht weniger. Für mich muss ein Glas nicht einmal aus Glas sein, da geht auch Holz, ich bin flexibel.» Ein Messer muss schneiden können, ein Auto muss fahren können und in eine Tasche müssen Dinge passen. Fertig.
Die einzigen beiden Dinge, die für mich einen ästhetischen Zweck an sich erfüllen, sind Kunst und Katzenbabys. Katzenbabys müssen einfach nur süss sein, mehr nicht. Die Dame im Tierheim sagt ja auch nicht: «So, das hier ist der Udo, der kann richtig gut Sofas zerkratzen. Und das hier ist die Sabine. Wie die Gedärme toter Mäuse in Wohnungen verteilt, einfach zum Dahinschmelzen. Ich glaube, die passt zu Ihnen.»
Der Teppich muss zum Sofa passen, die Lampe zur Wandfarbe, der Schrank zum Geschirr, die Vase zum Bild, der Tisch zu meiner Stimmung und meine Thermomix zu meiner Attitüde. Ich raste aus. Vielleicht passen Ästhetik und ich einfach nicht zusammen. Vielleicht muss aber auch nicht immer alles zusammenpassen. Und wenn meine Frau mir das nächste Mal irgendetwas zeigt und mich fragt, ob das hübsch ist oder zusammenpasst, dann ignoriere ich das, was sie da hat, schaue nur sie an und sage: «Ja, sehr hübsch sogar. Ich glaube ,das passt ganz gut zum Rest.»