Warum Mensch sich Mieze unterwirft

Vanessa Kobelt | veröffentlicht am 01.04.2021

Katzen sind die schlechteren Hunde – unloyal und unnah­bar, dafür berechnend. Trotzdem behandelt der Mensch den Stubentiger, als wäre er sein eigenes Kind. Der Ursprung für dieses Phänomen überrascht: Wir sind süchtig nach der Herausforderung einer schwierigen Beziehung.

Warum Mensch sich Mieze unterwirft
Markus Grolik | (Nebelspalter)

Allem Schmusen zum Trotz: Es liegt auf der Hand, dass sich die Katze vor rund 10?000 Jahren einzig und alleine dem Menschen anschloss, um ein bequemes Leben zu führen. Mit ihrer Fähigkeit, Ungeziefer von Nahrung fernzuhalten, schlich sich die Katze auf Samtpfoten in die Herzen der Menschen. Das langfristige Ziel dahinter: Eines Tages Schutz und Nahrung zu erhalten, ohne sich dabei die Pfoten dreckig zu machen. Die Katze hätte wohl selbst nie zu träumen gewagt, welchen Status sie bei den Menschen einmal erreichen sollte.


Gemeinsames Klo
Lebte die Katze lange Zeit vor allem auf Bauernhöfen, ist sie mittlerweile in beinahe drei von zehn Schweizer Haushalten anzutreffen. Der Stubentiger mauserte sich im Laufe der Zeit zum absoluten Lieblingstier. Nur Fische in Aquarien sind noch beliebter. Aktuell schlafen rund zwei Millionen Katzen in Schweizer Betten und auch das Badezimmer wird gerne mit den Vierbeinern geteilt. Dafür wurde extra ein spezieller Katzen-Toilettensitz entwickelt, mit der die Katze lernt, ihr Geschäft über der Schüssel und nicht mehr im Katzenklo zu verrichten. Alles andere wäre ja unmenschlich.

Auch Geld spielt für viele Katzenbesitzer überhaupt keine Rolle, das Tier gehört ja zur Familie. Im Schnitt kostet eine Katze bis zu 250 Franken monatlich, am Ende des Jahres also so viel wie ein Kleinwagen. Richtig teuer wird der Besuch beim Tierarzt. Da muss man für eine Zahn­infektion schnell einen Tausender liegen lassen, wobei Knochenbrüche mit bis zu 3000 Franken noch viel mehr kosten. Nur falls Sie mit dem Gedanken spielen sollten, eine Katzen-Versicherung lohne sich nicht.


Kein Interesse am Mensch
Segnet die Katze mal das Zeitliche, lässt man sie heute kremieren und kann sie dann in einer Urne nach Wahl (gibt es auch in Katzenform) zu Hause auf den Kamin stellen. Dabei richtet sich der Preis nach dem Gewicht der Katze.

All dies tun Katzenbesitzer, ohne von ihrem Tier etwas zurückzubekommen. Menschen sind Katzen nämlich komplett schnuppe. Erst kürzlich erbrachte ein Experiment in Japan den Beweis, wie wenig sich Katzen für das Wohl ihres Besitzers interessieren: Den Testobjekten wurde Futter von fremden Personen angeboten, welche die Katzen-Besitzer davor schlecht behandelt hatten. Den Katzen war das komplett egal, sie nahmen die Leckerlis, ohne mit der Wimper zu zucken an. Zum Vergleich: Hunde hielten zu den «gemeinen» Menschen ganz bewusst Abstand.


Das Übel liegt im Gehirn
Warum aber ist ein derart kaltherziges und egoistisches Tier bei den Menschen so beliebt? Die Antwort darauf ist auf folgenden Reflex in unserem Gehirn zurückzuführen: Ablehnung und Zurückweisung sti­mulieren die gleichen Hirnareale, die auch für Motivation, Belohnung und Sucht zuständig sind, wie

US-­amerikanische Wissenschaftler herausfanden. Die Sehn­-sucht nach dem Endorphin-Rausch bringt uns dazu, Beziehungen anzusteuern, die eine Heraus­forderung darstellen. Dies kann schlimmstenfalls zu einer ungewollten Abhängigkeit führen – bis hin zur Unterordnung.

Im Grunde sind wir also abhängig von unseren Katzen und werden sie so lange mit Materiellem und Liebe überschütten, bis sie uns irgendwann einfach verlassen. Und obwohl dann all die Liebe für die Katz gewesen sein wird, werden wir auch noch aufrichtig dem Viech nachtrauern.

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