Blick in die Grümpelkammer

Ralph Weibel | veröffentlicht am 02.07.2021

Wenn kleine Geschenke die Freundschaft erhalten, stellt sich die Frage, ob grosse die Feindschaft fördern. Das Treffen von Joe Biden und Vladimir Putin in Genf war so bedeutend, dass mehr über die Gastgeschenke berichtet wurde als den Weltfrieden. Oft beschenkt werden auch Parmelin und Co. Ihre Souvenirs verschwinden in den unendlichen Tiefen der Grümpelkammer unter dem Bundeshaus.

Blick in die Grümpelkammer
Marina Lutz | (Nebelspalter)

Um es vorwegzunehmen: Gastgeschenke sind ein Unding. Was einst als Zeichen von Freundschaft gedacht war, ist längst zur lästigen Pflicht geworden. «Was soll ich mitbringen?» wird meist mit «nichts» beantwortet, was uns nicht davon abhält, an die Grillparty eine alte Stehlampe mitzuschleppen. Dafür haut man sich den Wanst mit exquisitem Rindsfilet und die Birne mit teurem Rotwein voll. Oder der Neuzeit angepasst mit einem veganen Schnitzel und einem Pfefferminzwasser, aromatisiert mit Blättern aus dem eigenen Garten. Blumen überreicht man den Schwiegereltern mit einem Lächeln, denkt an die Erbschaft und würde das floristische Heuchelding dabei lieber auf ein Grab stellen.

Gezähmte Papageien
Heuchelei und Geschenke gehören zusammen wie ein Boxhandschuh und eine gebrochene Nase. Nicht schön, aber man verfolgt ohnehin ein anderes Ziel. Das zeigte sich schon in einem der grössten Missverständnisse der Menschheit, der Entdeckung von Amerika. Kolumbus, das alte Schlitzohr, brachte den fälschlicherweise für Indianer gehaltenen Ein­geborenen bunte Münzen, Messingglöckchen und Glasperlen als Geschenke mit. Die Einheimischen, noch ohne Kompetenzen des Lehrplans 21 oder der reformierten KV-Lehre ausgestattet, also blöd wie ein Russe nach einer Flasche selbstgebranntem Wodka, freuten sich und beschenkten die Spanier ihrerseits mit Gold, Baumwollfäden und gezähmten Papageien. Letztere sollen auf der Rückfahrt dem Schiffskoch zum Opfer gefallen sein. So viel zur Würdigung von Gastgeschenken.

Peitsche für Adolf Ogi
Um bei der Aktualität zu bleiben, ein kurzer Rückblick auf die Geschenke am vermeintlich historischen Gipfel von Genf, der etwa so bedeutend war wie die Corona-bedingt online durchgeführte Jahresversammlung des Kaninchenzüchtervereins Niederhasliberg. Bundespräsident Guy Parmelin überreichte den greisen Weltmachtvertretern Putin und Biden eine Schweizer Uhr. Ob die Idee dafür der Fantasielosigkeit des Wirtschaftsdepartementes entsprang oder eine tiefere Symbolik hatte zwischen «ihr tickt nicht richtig» und «jetzt wisst ihr, was es geschlagen hat», lässt sich nicht nachvollziehen. Sicher ist nur, die beiden kopflosen Staatsoberhäupter werden die Uhren behalten.

Nicht, dass sie noch keine Uhr gehabt hätten. Aber mehr haben zu wollen, als nötig ist, liegt in der Natur des Kapitalismus. Da geht es ihnen besser als den Schweizer Magistraten. Auch wenn sie keine Sozialisten sind, müssen sie die erbeuteten Geschenke zu Hause, also im Bundeshaus, abgeben. Dort werden sie feinsäuberlich erfasst und eingelagert, um jeglichen Verdacht von Korruption zu verhindern. Über die Jahre hat sich so eine ansehnliche Sammlung an Kuriositäten in einer Grümpelkammer unter dem Bundeshaus angehäuft, die jeden Laientheaterverein vor Neid erblassen lässt. Neben ungezählten Bildern, Mumien, Schmuck und Statuen findet sich beispielsweise eine Peitsche. Überreicht 1990 an den damaligen Bundesrat Adolf Ogi, anlässlich der Jahreskonferenz des VBS. Im akribisch geführten Inventar ist die Symbolik des Geschenks leider nicht vermerkt. Entweder wollte man Ogi helfen, etwas durchzupeitschen, oder sagen, er hätte einen an der Klatsche.

Endlos ist die Liste mit lausigem Nippes von Porzellantellern, ähnlich dem, den Tante Heidi einst aus Süditalien mitbrachte und der ums Ver­recken unkaputtbar ist, Teeservices und Gedenkmünzen aus Burundi. Wenig erfolgreich beim Sammeln von Geschenken war Alt-Bundesrat Joseph Deiss. Aus Ägypten brachte er
einen Speisewärmer mit Basis und Löffel mit und Bill Clinton übergab ihm einst einen Stifthalter mit Kugelschreiber, weil er seine Zigarren schon aufgebraucht hatte.

Präsident Mathieu Kérékou nutzte im Jahr 2000 einen Staatsbesuch dazu, seinen Sperrmüll «Ensemble aus Tisch und vier Stühlen» aus der Republik Benin zu entsorgen. Eine Porzellanurne mit Landeswappen wurde Johann Schneider-Ammann 2016 vom portugiesischen Präsidenten überreicht. Unbestätigten Gerüchten zufolge, weil er nicht sicher war, ob der bewegungslose Bundesrat am Tisch schon verstorben sei.

Säbel aus Saudi-Arabien
Feststellbar ist ein Hang zu martialischen Geschenken in den arabischen Ländern. Neben reihenweise Säbeln und Krummmessern, alle an Jamal Khashoggi ausprobiert, liess uns Saudi-Arabien einst ein Schnellfeuergewehr Heckler&Koch zukommen.

Offen ist die Frage, was wir mit Sporen für Reitstiefel (aus Chile) und einer Nackenstütze (OSZE-Konferenz in Seoul) machen sollen. Vielleicht Geld, wenn wir den Ramsch verkaufen würden. Aber wer will schon einen «Wandteppich mit Porträt von Adolf Ogi» aus Usbekistan?

Artikel erschienen in der Ausgabe

loader